Biopolitik, Ausnahmezustand und Wissenschaft als Religion

Ich würde gerne 3 Aspekte von Herrschaftspraktiken, die sich in der Covid Pandemie sehr deutlich gezeigt haben, thematisieren.

Biopolitik

Ausnahmezustand

Wissenschaft als Religion

Alle drei haben ohne Zweifel bereits vorher existiert, aber sind in der Zeit der Pandemie zu voller Blüte gekommen. Außerdem glaube ich, dass sie in Zukunft tragende Säulen der Struktur unserer Gesellschaften darstellen.

Auch wenn ich die drei Themen nacheinander separat behandeln werde , greifen sie natürlich ineinander, brauchen sich gegenseitig, bzw. folgen auseinander.

Biopolitik

Biopolitik verstanden als Verwaltung und Regulation von Lebensprozessen der Bevölkerung.

So schon von Foucault in den 80ern beschrieben, war sie in der Zeit der Pandemie nicht mehr nur unterschwellig, latent wahrnehmbar, sondern trat deutlich hervor, für alle sichtbar würde man meinen. Leitende Erzählungen die es deutlich machen waren „Wie schafft man es so effizient wie möglich, so wenig Menschen wie möglich sterben zu lassen.“ „Welche Menschen sind „systemrelevant“?“ „Wie begegnen sich so wenig Menschen wie möglich?“ „Welche Personen sind im Sinne des Erhalts ihres Überlebens im anatomischen Sinne vulnerabel?“

Gehen wir davon aus, dass Biopolitik eine tragende Säule der Gestaltung von modernen Gesellschaften einnimmt, heißt dies auch, dass Politik nicht (mehr) dort beginnt wo Gesellschaft über das Lebensnotwendige hinaus organisiert wird (Antikes Politikverständnis), sondern Politik das wird, was unmittelbar auf die Organisation des (Über-)Lebens Zugriff hat. Politik ist nur noch Verwaltung und Erhalt von Körpern als ökonomischem Material.

Das heißt auch das gutes Leben und schlechtes Leben in gesundes und ungesundes Leben unterschieden wird. Leben wird nur noch im biologischen Sinne verstanden. Dass dieses Verständnis bereits vor der Pandemie tief in den Köpfen verwurzelt war, hat sich ebenfalls gezeigt. Der Spruch (in der deutschen Linken) „Das gute Leben für Alle erkämpfen“ hat sich als reine Phrase erwiesen. So wurde das Narrativ des Schutzes der Impfung zum Schutz des Lebens meines Nächsten unhinterfragt übernommen. Die Tatsache, dass das #StayAtHome, Nichtstun und Abstellen dessen was das Leben vom Überleben unterscheidet, so vielfach von der Bevölkerung praktiziert und gepredigt wurde, zeugt davon wie tief dieses rein biologische Verständnis des Lebens bereits sitzt.

Auch die Tatsache, dass viele insbesondere Bürgerliche den Lockdown als Pause von ihrem, so erzählen sie es, anstrengenden Leben wahrgenommen haben, zeigt wie viele von ihnen faktisch nur noch Überleben und ansonsten nicht viel haben.

In der Covidpandemie wurde der Kampf von staatlicher Seite um jeden Körper so hart wie seit langem nicht mehr geführt. Mit den absurdesten Anreizen oder Verboten sollten die Menschen bewegt werden sich Impfen zu lassen (Bratwurst für die Impfung, Zugang zum öffentlichen Nahverkehr). Jeder wurde vermittelt persönlich angesprochen. Über einen Arzt, einen Nachbarn, eine Plakatpropaganda oder Zugangsbeschränkungen.

Mit dem Erhalt des reinen Überlebens geht jedoch auch das Verwalten des Sterbens einher. Auch das wurde in der Pandemie sehr sichtbar, auch wenn es in einigen Teilen der Welt schon lange Alltag ist. So wurden viele Menschen in den Altenheimen oder in Ländern des Südens, (El Salvador in den Knästen, Südafrika in den Townships, Brasilien die Favelas) eingesperrt und dem Sterben überlassen. Somit bedeutet Biopolitik immer auch Nekropolitik.

Wenn das reine Überleben oder Sterben zu verwalten die höchste politische Doktrin wird, braucht es auch das richtige Mittel dies durchzusetzen.

Im Konspirationistischen Manifest heißt es dazu: die Biopolitik führt logischerweise in den Ausnahmezustand.

Ausnahmezustand

Ausnahmezustand verstanden als die Aussetzung des Rechts und der Demokratie, mit dem erklärten Ziel diese wieder herzustellen, geht immer mit Verwaltung bzw. autoritärem Regieren einher, da Macht auf die Exekutive verschoben wird. Das Regieren per Verordnungen, ohne Parlament, ohne oder nur mit eingeschränkten Gesetzgebungsverfahren.

Auch wenn in der Zeit der Pandemie der Ausnahmezustand in Deutschland nie offiziell ausgerufen wurde, kann das Handeln der Politik wohl nicht anders beschrieben werden. Die Schutzmaßnahmen wurden alle per Verordnung, Erlassen und Allgemeinverfügungen am Parlament vorbei beschlossen und entschieden haben Experten, Kommissionen oder Krisenstäbe. Der Begriff des Ausnahmezustands wurde durch den Begriff der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ersetzt.

So kann man zwar eine Zunahme des Regierens mit diesen Mitteln schon länger beobachten, insbesondere in der Bekämpfung des Terrorismus. Jedoch lässt sich wohl nicht leugnen, dass eine so großflächige und global gleichzeitig statt findende Aussetzung des Rechts neu war.

Da wir jedoch bekanntermaßen nicht die größten Freunde der bürgerlichen Demokratie sind, stellt sich die Frage warum das Regieren im Ausnahmezustand für uns ein Problem darstellt. Es gleicht mehr dem Absolutismus, auch wenn dies nicht sein historischer Ursprung ist. Doch Herrscher bleibt Herrscher. Ob wir gegen einen König oder gegen eine kapitalistische bürgerliche Demokratie kämpfen. Dient die Feststellung des Ausnahmezustands also lediglich dazu die Frage des Wie des Kampfes zu stellen?

Nein, das Regieren im Ausnahmezustand zeigt vielmehr eine Intensivierung und Vertiefung von Herrschaft, die jeglichen Raum für etwas ganz anderes schließt, wie beispielsweise und vor allem in der Verwaltung und dem Angriff auf den Körper um jeden Preis. Wie es sich in der Pandemie gezeigt hat. Damit ist es etwas anderes als nur die eine oder andere Herrschaftsform.Für uns bedeutet dass, das alles was revolutionäres Denken und Kämpfen ermöglicht, tendenziell verunmöglicht wird.

Erklärtes Schutzgut in der Pandemie war das Leben. Das reine Leben. Dazu passt, dass Agamben den Ausnahmezustand auch als die Aufhebung des Lebendigen im Namen des Lebens beschreibt.

Alles was man als lebendig beschreiben könnte, wurde untersagt. Das soziale Zusammenkommen, das gemeinsame Singen, das Feiern, das Protestieren, aber auch das Abschiednehmen oder das Feiern des Glaubens.

Nähert man sich dem Begriff des Ausnahmezustands noch einmal vom Alltagsverständnis, meint er die Abwesenheit von Normalität, einen Zustand den man nicht haben will. Das schließt mit ein, dass es dem Ausnahmezustand darum gehen muss, den Normalzustand wieder herzustellen.

In Zeiten der Pandemie war das erklärte Ziel aller Maßnahmen und Politiken wieder Normalität herzustellen.

Somit war in Zeiten der Pandemie das Ziel der Herrschenden Normalität, im Sinne eines kapitalistischen Alltags, mit allen Mitteln zu sichern, so sichtbar wie lange nicht mehr. Der Wille vieler Menschen zur „Wiederherstellung“ dieser Normalität beizutragen, war wohl auch eine der am schwersten zu ertragenden Dinge in dieser Pandemie.

Um den Ausnahmezustand zu begründen braucht es einen Auslöser, einen Grund.

Historisch war dies der Belagerungszustand, also eine Verknüpfung zu Krieg und Aufstand. Spätestens nach dem ersten Weltkrieg wurden jedoch zunehmend auch ökonomische Krisen herangezogen, dann der Terror, nun das Klima und erneut der Krieg. Und auf interessante Weisen verknüpfen sich diese Ausnahmezustände, so dass beispielsweise der Ausnahmezustand für den Krieg auch einer des Klimas ist bzw. gemacht wird.

Wir können beobachten wie zunehmend mehr Ereignisse herangezogen werden zur Legitimierung eines Ausnahmezustands und wir so dem permanenten Ausnahmezustand immer näher kommen, auch wenn seine Aufdauerstellung wohl noch nicht ausgemacht ist.

Aber das heißt die Herrschenden lassen uns/die Menschen immer mehr um eine Normalität kämpfen, die wir ablehnen.

Es könnte also helfen nach Benjamin die „Normalität“ als Ausnahmezustand zu begreifen:

„Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, dass der Ausnahmezustand, in dem wir leben, die Regel ist.“

und dafür zu kämpfen den wirklichen Ausnahmezustand herbeizuführen, der sowohl die Normalität als auch den herrschenden Ausnahmezustand aufhebt.

Auch, dass die Wissenschaft als Ideologiefabrik den Ausnahmezustand und seine Biopolitiken untermauert, ist nichts Neues, gewinnt aber eine andere Qualität, bei der es sich lohnt, erneut über Wissenschaft als Religion nachzudenken.

Wissenschaft als Religion

Gehen wir davon aus, dass es insbesondere in der Pandemie um die Verwaltung von Leben und Körpern ging, kommen wir nicht umhin über Medizin zu sprechen. Die Medizin war die leitende „Wissenschaft“ in Zeiten von Covid. Medizin verstanden als moderne Technik mithilfe derer das Überleben abgesichert und möglichst weit verlängert wird. Das Aufkommen der modernen Medizin ist dabei zutiefst mit den Anfängen der kapitalistischen Moderne, ihrer spezifischen Form der Trennung von Körper und Geist und der Verobjektivierung der Körper verbunden.

Nicht anders ist es zu erklären, dass sich medizinische Diskurse in Zeiten der Pandemie hauptsächlich um Zahlen, Statistiken und Werte drehten. Ein errechneter Durchschnittswert bestimmte, ob ich meine Großmutter besuchen durfte, ob Kinder in die Schule gehen konnten und Menschen als krank oder gesund eingestuft wurden.

Wissenschaft meint an mathematischen Modellen und Berechnungen orientierte Natur- und Sozialwissenschaft. Das Problem bürgerlicher Wissenschaft war schon immer, dass sie ihre eigenen erkenntnistheoretischen Grundlagen nicht transparent macht, mittlerweile vielleicht noch nicht mal mehr kennt, und damit Teil der Herrschaft bzw. Unterdrückung ist. Religion nicht im Sinne eines irrationalen Kults, sondern dass ihnen höchste Priorität zukommt. Von ihnen wird sich die letzte Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte erhofft. Aber noch wichtiger erhebt diese Form der Wissenschaft den Anspruch auf die einzig gültige Weltdeutung. Religion beschrieben als ein kohärentes System mit einer Weltdeutung mit Dogmen, die sich auch um feste Rituale herum organisiert, dessen zentraler Punkt ein Heilsversprechen ist. Dass die Wissenschaft den Anspruch auf die einzig gültige Weltdeutung annimmt, konnte man an den oben beschriebenen Diskursen aus der Pandemie erkennen. Jeder, der es wagte ein nichtquantifizierbares Argument gegen die Maßnahmen vorzubringen, wurde als irrational, ungläubig, naiv aus dem Diskurs ausgeschlossen. Wer auf die eigene Erfahrung und das eigene Erleben setzte, fand kaum Gesprächspartner mehr. Dieses Schema zeigt sich jedoch auch in der Debatte um dem Klimawandel und seine Quantifizierbarkeit.

Das Heilsversprechen der Wissenschaft liegt im Jetzt. Sie verspricht ein Verstehen und widerspruchsfreies Einsortieren der Geschehnisse auf der Welt in Tabellen und Kategorien. Alternativen sind nicht denkbar, da es an den sie belegenden Zahlen fehlt. Somit wird eine Welt, die es noch nicht gibt, undenkbar. Alles kann nur aus dem Bestehenden gedacht und argumentiert werden. Hochrechnungen versuchen uns die Zukunft schon im Jetzt zu beschreiben und realisieren sich damit zwangsläufig, da sie eine Verlängerung des Jetzt darstellen. Damit ist die Wissenschaft als Religion, eine Religion der Knechtschaft, nicht der Befreiung, Die Vorstellung einer besseren Welt kommt in ihr nicht vor und kann in ihr auch nicht vorkommen.

Das Problem ist nicht, dass Wissenschaft Religion wird, sondern dass sie eine knechtende und unterdrückende Religion ist und nur sein kann.

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