Erste Überlegungen zum Non-Kongress: der Turm zu Babel

Ein paar erste Gedanken möchte ich mit euch teilen:

Die moderne Subjekt-Gesellschaft versucht mit aller Gewalt eine neue hermetisch dichte Metropole aufzubauen und dem Kapital einen Turm zu errichten, dessen Schuldenspitzen bis zum Himmel reichen. Die Linken haben in ihren Versuchen unter dem Pflaster den Strand zu entdecken (un)bewusst bei diesem zivilisatorischen Projekt mitgemacht und die Ziegelsteine für den Bau der Metropole aufgestapelt, die sofort eingebaut worden sind.

Herausgekommen ist das babylonische Sprachwirrwarr, vor dem wir heute stehen und das beim Kongress deutlich wurde. Damit ist nicht einfach nur die Konferenzsprache gemeint, die Nicht-Muttersprachler vor einige Hürden gestellt hat – das ist billig – sondern die vielfach gebrochene und zersplitterte Gegenwart, die vielen unterschiedlichen Sichtweisen, Ratlosigkeiten und Verwirrungen und die großen Schwierigkeiten überhaupt erst einmal die Fragen in Worte zu kleiden – von Antworten gar nicht zu reden.

Das Ringen um einen gemeinsamen Sprach- und Verstehensgrund war allenthalben spürbar – obacht: eine vorschnell gefundene gemeinsame Sprache kann dazu führen wieder einen Turm zu bauen! Die Sprachlosigkeit muss wohl ausgehalten werden, solange wir in Babylon überleben, aber dennoch sprechen wir, um zu leben im Als-ob-nicht; ohne Sprache ist der Mensch doch nicht. Gute Begegnung setzt im Vorsprachlichen an und die gemeinsame Sprache verstärkt die Bindungen. Verschiedentlich wurde die Ethik als ein Weg in die Zukunft aufgerufen. Auch diese setzt vor der Sprache und sicher vor der Rationalität an und zielt auf die Beziehungen und guten Begegnungen. Hier wäre ein Punkt, der in der Theorie zu vertiefen wäre und einen nächsten Schritt darstellen könnte: Welche Ethik braucht es und wie ist sie in ihren Tiefenschichten auf die Wahrheit und den Willen bezogen? Welche Rolle spielt Politik darin? Wenn wir siegen wollen, weil wir tiefgründer sind, muss dieses mühsame Unterfangen wohl angegangen werden und jede Oberflächlichkeit abgelegt werden.

Die Wahrheit scheint gekoppelt an das NON, an die Negation und die Negativität, den Bruch mit dem Bestehenden, weil es als grundfalsch und tödlich erkannt wird. Interessant sind da weniger die larmoryanten Zwischentöne über das Scheitern der radikalen Linken, wie sie beim Kongress auch angeklungen sind. Als langjähriger Beobachter der radikalen Linken am Straßenrand und mittlerweile Weggenosse kann ich menschlich natürlich Enttäuschung und Verbitterung verstehen und vielleicht auch aus den Fehlern der Vergangenheit etwas lernen, aber mein Blick ist nach vorne gerichtet. Das führt zu einem zweiten Schritt, der weiterzugehen wäre und zwar zur Praxis: Wie kann der radikale Antagonismus zur Welt, der im notwendig unbestimmbaren NON liegt, aber in Treue zur Wahrheit steht, lebbar durchgetragen werden? Wie kann der Pessimismus gepflegt und Schleifung des Turms von Babel und der Ausbruch aus der Metropole angegangen werden? Welche Beziehungen setzen wir entgegen, um uns nicht selbst wie Satelliten zu umkreisen sondern gemeinsam stärker und größer als de-subjektiviertes Wir zu werden? Und dann: Wie geht das mit dem con-spirieren?

Das sind nur einige erste Überlegungen. Euch noch einmal herzlichen Dank für den Anstoss!

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